Die größte der ostfriesischen Inseln führt keineswegs ein verschlafenes Dasein zwischen Watt und Wellen. Denn jetzt startet auf der Insel ein bemerkenswertes Projekt, das Geschichte und Hightech verbinden soll, wie die Nordseeheilbad Borkum GmbH mitteilt. Mittels Augmented Reality (AR) sollen künftig historische Persönlichkeiten von ihrem Leben auf der Insel berichten.
Die Insel der sieben Gesichter
„Auf den ersten Blick gibt es hier nichts, was uns eine ganz eigene Identität gibt. Nur anhand von Dünen- und Strandfotos wären wir austauschbar“, räumt Tourismusdirektorin Pia Hosemann erfrischend ehrlich ein. Was die 5000-Einwohner-Insel aber tatsächlich besonders mache, seien „die Geschichte, der Stadtkern, touristische Einrichtungen oder andere Erlebnisse“ – und genau die sollen nun erlebbar werden.
Sieben „Landmarken“ werden künftig die verschiedenen Gesichter der Insel repräsentieren: Von der Badekultur über den Walfang bis zur Seefahrt, vom Militär über die Energiegewinnung bis zur frühen Inselbesiedlung. An insgesamt 50 Orten können Besucher Informationen abrufen – markiert durch gut sichtbare „Pinnadeln“, wie die Nordseeheilbad Borkum GmbH die digitalen Wegweiser nennt.
Vom Walfänger bis zur Rangerin
Besonders charmant: Die Geschichte wird nicht trocken präsentiert, sondern von „fiktiven Persönlichkeiten“ erzählt. So berichtet der Marineinfanterist Matthias Nielsen von seinen Erlebnissen, die Nationalpark-Rangerin Lena Petersen erklärt ihre Arbeit, und der Walfänger Heiner Meier gibt Einblicke in die maritime Geschichte. „Diese Charaktere geben unserer Geschichte ein Gesicht. Historische Fakten werden viel emotionaler und spannender, bleiben so besser im Gedächtnis“, erklärt Hosemann das Konzept.
Die 31 Quadratkilometer große Insel hat tatsächlich einiges zu erzählen: Mit rund 300.000 Übernachtungsgästen und 2,5 Millionen Übernachtungen jährlich ist sie nicht nur ein bedeutendes Tourismusziel, sondern blickt auch auf eine bewegte Geschichte zurück – von der Zeit der Walfänger über die strategisch wichtige Rolle als Seefestung bis hin zum modernen Nordseeheilbad.
Pilotprojekt mit Vorbildcharakter
„Das Projekt soll modellhaft für die Ostfriesischen Inseln durch moderne Gestaltung und barrierearme Vermittlung ein ganzheitliches, neues Inselerlebnis schaffen“, erläutert der ehemalige Geschäftsführer der Ostfriesische Inseln GmbH, Göran Sell, der das Projekt mit initiiert hat. Als erster „magischer Ort“ ist ausgerechnet die Reede bereits online erlebbar – ein Stadtteil im Südosten am Hafen, der nach dem früheren Ankerplatz der Schiffe benannt ist.
Das Gebiet, einst Marinestützpunkt und heute von brachliegenden Flächen geprägt, könnte durch die digitale Geschichtsvermittlung neues Leben erhalten – und zeigen, dass auch weniger touristisch erschlossene Orte ihre ganz eigene, spannende Geschichte haben. Die weiteren sechs „Gesichter“ der Insel sollen nach und nach folgen.
Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, sieht in dem Projekt sogar eine Pionierleistung: „Borkum als größte und ökologisch vielfältigste der Ostfriesischen Inseln kommt hier eine Vorreiter-Rolle für nachhaltigen Tourismus und neue Formen der Kommunikation zu“, wird er in der Pressemitteilung zitiert.
Die digitalen Geschichten sind über QR-Codes an den jeweiligen Orten abrufbar und können auch vorab heruntergeladen werden.
Inselerlebnis auch bei Schmuddelwetter
Die digitale Zeitreise könnte dabei helfen, die Insel auch außerhalb der klassischen Badesaison für Besucher attraktiv zu machen. „Es soll als Angebot auch außerhalb der bisherigen touristischen Saison die Nachfrage in den Saisonrandzeiten steigern“, sagt Sell.
Ein Plan, der durchaus aufgehen könnte – schließlich funktionieren die digitalen Inselführungen auch bei typisch Borkumer Schmuddelwetter. Und wer weiß: Vielleicht erzählt der virtuelle Walfänger Heiner Meier seinen Zuhörern dann auch, wie man sich früher bei Sturm und Regen auf See warmgehalten hat.
Fotos: Inselansicht: Elke via Pixabay / Nordseeheilbad Borkum GmbH
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